Kadergramme: (eine Werkserie seit 1992)

Das Wort Kadergramm setzt sich aus den Begriffen Kader (das Einzelbild im Film) und Kardiogramm zusammen. Die Zeichnungen von Andreas Egger sind Herzangelegenheiten, demzufolge steht auch der Titel in Bezug zu magnetischen, rhythmischen Elektroaufzeichnungen des Herzens. Die Konzeption und Erfahrung des filmischen Bildes, dessen Ablauf in Einzelbildern lässt uns Spuren menschlicher Existenz im Entstehen und Vergehen vermuten. Figuren und räumliche Situationen als Beziehungsabfragen sind im Begriff zu wachsen aber auch sich zu verlieren. Dazwischen wird der Ablauf unablässig angehalten und Szenen unserer Existenz erhellt und herausgestellt. Wir erkennen uns in diesen Passionen, wenn wir einander begegnen und verlieren, Entdeckungen und Abschiede vollziehen und in Grenzsituationen hineingeraten, wo wir doch den Momenten des Glücks Unendlichkeit wünschen und gleichzeitig der Erfahrung der Endlichkeit gewahr werden. Heraklits Panta rhei, das Fließen und der Zyklus von Leben und Sterben einerseits sowie Zufall und Bedeutung erkennen wir als lebensdynamischen Prozess. Diesem Exzess wird in den Arbeiten des Künstlers eine Form gegeben. 

Die dunklen Streifen sind als unbelichtetes Filmmaterial, ja Vorbewusstes zu begreifen. Hier sammeln sich Erfahrungen der Mystik und der Kontemplation, ferner Geheimnisse der unbeantworteten Fragen nach unserer Existenz. Im zeichnerischen Duktus vom Kopf zur Hand wachsen daraus Ereignisse im mehr oder weniger flüchtigen Ablauf - entstehende Formen, Räume, Dinge und Figuren, welche in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und Identitäten abgebildet werden. Je est un autre schrieb Arthur Rimbaud an Paul Demeny und sah die eigene Identität im Spiegel der Fremdwahrnehmung. In diesem Sinne laden die Werke den Betrachter ein, sich darin einzuweben und im Strom der Zeichen durchzutauchen. Seine persönlichen Erfahrungen stehen modellhaft für die Erfahrung aller. Für Sinn, Unsinn, Hintersinn, Eros, Leben und Tod. Zeichnungen, um die Zeichnung zu verlassen, Notationen und Schriftstücke, noch vor jeglicher Sprache.

Francis Bacon meinte, jetzt hat der Mensch erkannt, dass er Zufall ist, dass er ein vergängliches, ganz und gar flüchtiges Wesen ist und dass er sein sinnloses Spiel zu Ende spielen muss - und manchmal ihm Bedeutung widerfährt.

+ + + + + +

Die grafische und malerische Arbeit von Andreas Egger folgt dem Konzept der filmischen Sequenz und dem filmischen Kader. Den Vorgang seiner Zeichensprache kann man sich als Aufladungs- und Entladungsprozess vorstellen. Figuren, Gegenstände und Raumsituationen werden in Beziehung, und wie in einer Filmsequenz, in Bewegung gesetzt. Dabei verdichten sich die Kompositionen, reduzieren sich immer wieder zum Einzelbild - erstarren zum film still. Die Abfolge der Bilder in ihrer Beschleunigung machen bisweilen das Gegenständliche nur mehr im Ansatz sichtbar. Formen, die sich anhäufen und verdichten und wieder verebben oder auslaufen.

Seine über Jahre entwickelten Figuren sind in mehreren Entwicklungsstadien festgehalten, in einer Flüchtigkeit des Entstehens und Vergehens. Aus einem unbelichteten Filmstreifen treten Linien heraus, erhalten ihre Form und vergrößern sich. Sie bleiben in einer Belichtung stehen oder gehen unter, im dunklen Raum des Vorbewussten. Ein selektiver Schauprozess, in der das Figurale sich etabliert oder nur seinen Ansatz in gegebenem Maße erkennen lässt. Eggers serielle Bildwerke lassen sich aneinanderhängen und ineinander bauen. Dabei ziehen sie sich einer Untersuchung unter: Reihen, Sequenzen, Assoziationen, Makroaufnahmen, Bildablaufe pro Sekunde. Existenzen, die dem Schicksal des zufälligen Lebens ausgeliefert sind, ihrer Selektion und Aussonderungsvorgängen gewahr werden, ihre Beiläufigkeit und Bestimmung erkennen.

Kadergramme - ein Begriff den der Künstler für seine Zeichnungen verwendet (Kader=Einzelbild in Verbindung mit Kadiogramm=rhythmische Aufzeichnung eines Ereignisses im Ablauf - z.B EKG). Die Zeichnungen sind einerseits rein in Mischtechnik (Kohle, Bleistift, Kreide, Tusche, Gouache...) angefertigt und treten andererseits als multimedia in Erscheinung. Bilder werden aus Zeitungen, Fundstücken, Filmen als Fotos entnommen in den PC hineingespielt, ausgedruckt, kopiert, fotografiert und wieder auf das Blatt Papier übertragen, wo es zeichnerisch überarbeitet wird. Auch die Malereien stehen eng in Verbindung mit der Linien und der Zeichnung.

(Werner Hablé)


© 2020 Andreas Egger. ATELIER: Am Anger 41-43, 4040 Linz
Unterstützt von Webnode
Erstellen Sie Ihre Webseite gratis!